Entolium incognitum (Bittner 1901)
BITTNER, A. 1901. Lamellibranchiaten aus der Trias des Bakonyer Waldes. Resultate der Wissenschaftlichen Erforschung des Balatonsees, 1, part 1. Palaeontologie der Umgebung des Balatonsees II. Band 3: 1-106, pls- 1-9, Wien. [p. 35]
1901 Pecten incognitus Bittner 1901
Pecten filosus Hauer; S, Wöhrmann, 1889. Die Fauna der sogenannten Cardita- und Raibler-Schichten in den Nordtiroler und bayerischen Alpen, plate 7, figures 3, 4.
|
«Pecten filosus HAUER bei WÖHRMANN im Jahrbuche der geol. R.-Anst 1889, S. 204, Tafel VII, Fig 3, 4.
Als erste unter den glattschaligen Pectines der Fauna von Veszprém sei die Art genannt, die man nach der bisher geltenden Ansicht als Pecten filosus HAUER bezeichnen würde, bezüglich welcher indessen trotz ihrer grossen Verbreitung, insbesondere in den Nordalpen, eine irrthümliche Auffassung herrscht. Es war mir überraschend, zu finden, dass der ursprünglich von F. v. HAUER beschriebene Raibler Pecten filosus sammt dem lombardischen Pecten dieses Namens bei PARONA eine ganz beträchtlich verschiedene Art darstellen gegenüber dem Pecten filosus der nordalpinen Carditaschichten (Ostreenbänke derselben) und Opponitzer Kalke, den WÖHRMANN 1. c. abbildet und der übrigens zu Raibl ebenfalls vorkommt. Gorno im Val Seriana wird sowohl von HAUER als von PARONA als Fundort des ursprünglichen Pecten filosus HAUER angeführt. Eine Platte dunklen Mergelgesteins mit zwei sehr vollkommen erhaltenen Klappen (einer rechten und einer linken) von Gorno besitzt das Strassburger Museum. Ihre Maasse sind:
Zum Vergleiche die Maasse zweier Stücke des P. incognitus (filosus aut.) der nordalpinen Opponitzer Kalke (aus Mergel von Zögersbach-Lilienfeld und aus Kalk von Weissenbach a. d. Triesting).
Wie diese Maasse zeigen, ist der ächte P. filosus ein wenig länger (breiter) als P. incognitus, bei dem im Gegensätze das Höhenmaass um ein geringes überwiegt. Damit stimmen auch die von PARONA mitgetheilten Maasse (1. c. S. 88). Schon v. HAUER bemerkt, dass sein Pecten filosus im Verhältnisse zur Schale ziemlich grosse Ohren besitze und bei PARONA wiederholt sich diese Angabe, die auch durch die Abbildungen bei Hauer und PARONA bestätigt wird, während WÖHRMANN’s Figur nicht mit dieser Angabe harmonirt. In der That liegt in der Gestalt der Ohren der Hauptunterschied zwischen beiden Arten. Bei P. filosus aus der Lombardei sind die Ohren mit Recht als gross zu bezeichnen und ihre Gestalt ist eine solche, dass sie von ihren Ansatzstellen gegen oben, zur Schlosslinie hin, sich noch merklich verbreitern, was zum Theil auf den Ausschnitt im vorderen Ohre zurückzuführen ist, dessen bereits PARONA gedenkt und welcher beiden Klappen in gleicher Ausbildung zukommt, ohne dass an der rechten eine eigentliche tiefere Byssusausrandung zu verzeichnen wäre.
Die beiden oben erwähnten (gemessenen) Klappen von Gorno des Strassburger Museums zeigen das mit vollendeter Schärfe. Der hintere Flügel besitzt ein ziemlich rechtwinkeliges Eck am Schlossrande, wie ebenfalls schon PARONA erwähnt und zeichnet. Pecten filosus HAUER (die ächte Form) würde somit — nach dem neuesten Classificationsversuche PHILIPPI’s in Z. d. D. g. Ges. 1900 — dem Stamme Entolium zufallen und zwar jenen Typen der Gruppe, bei welchen vorderes und hinteres Ohr und somit auch rechte und linke Klappe noch unschwer zu unterscheiden sind. Sie schliesst sich also weniger genau dem ächten deutschen P. discites und dessen alpinen Vertretern (zu denen beispielweise P. discites var. microtis m. in Mcm. du Com. geol. de Sct -Petersbourg, vol. VII, 1899, Versteinerungen der Ussuri-Trias, S. 2, Taf. I, Fig. 16, 17, 18 gehört)¹ an, bei denen das vordere Ohr keine Spur eines Ausschnittes besitzt, sondern solchen alpinen Formen, die man, wie Schauroth’s P. discites von Recoaro (Sitzber. d. k. Acad. d. Wiss. 34. Bd. 1859, Taf. II, Fig. 6) zwar unter diesem Namen anführt, die sich aber durch Vorhandensein eines Ausschnittes im vorderen Flügel recht wohl vom ächten discites unterscheiden lassen. Diese Formen würden sich somit wohl eher an die Gruppe oder Untergattung Amussium anreihen lassen, als an die echten Entolien oder Syncyclonemen, von welchen letzteren PHILIPPI glaubt, dass sie in Entolium² aufgehen werden. Im Gegensätze zu P. filosus Hauer besitzt die hier neubenannte Art, P. in- coguitus m., Ohren, die sich von ihrer breiten Ansatzfläche gegen den Schlossrand nach aufwärts beiderseits beträchlich verschmälern, so dass die Länge des Schlossrandes eine beträchlich (vergleiche die oben gegebenen Maasse!) geringere ist als die Distanz zwischen den Ohr-Ansätzen; zugleich runden sich die Ecken der Ohren stark ab und die ganze Wirbelpartie dieser Art besitzt somit ein von jener des P. filosus sehr verschiedenes Aussehen, wie schon aus einem Vergleiche der Abbildung WÖHRMANN’s mit den Figuren bei PARONA zu entnehmen ist. Ein Byssus- ausschnitt ist auch nicht einmal angedeutet, vorn und hinten bei derselben Klappe, rechte und linke Klappe sind schwierig zu unterscheiden, was, wie erwähnt, bei dem echten P. filosus weit leichter ist. P. incognitus schliesst sich somit an die Entolien PHILIPPI’s (speciell die Formen ohne hornförmig verlängerte Ohren — Typus: Pecten demissus Phill. des braunen Jura) an, eventuell an Syncyclonema, dem ich schon den oben erwähnten Pecten discites var. microtis verglichen habe und dem auch nach PHILIPPI der echte deutsche P. discites zufällt.³ Dass Pecten filosns und P. incognitus zusammengeworfen wurden, das erklärt sich daraus, dass man der eigenthümlichen Schalensculptur des P. filosus specifische Bedeutung beigelegt hat, während in der That ganzen Gruppen von triadischen Pectines, vom Muschelkalke aufwärts bis in die Kössener Schichten, diese Sculptur zukommt, dieselbe daher keineswegs gerade nur für die Species Pecten filosus Hauer als bezeichnend gelten darf. Die Formen von Veszprem, um die es sich hier handelt, schliessen sich, wie schon aus dem vorangestellten Namen erhellt, der hier als Pecten incognitus nov. nom. bezeichneten alpinen Form an, so weit das ihr zumeist ungünstiger Erhaltungszustand zu erkennen gestattet. Einzelne mögen vielleicht eher dem überaus nahestehenden Pecten Schlosseri Wöhrm. zufallen, bezüglich dessen mir es nicht völlig sichergestellt erscheint, ob er eine eigene Art oder nur einen Erhaltungszustand von P. incognitus darstellt. Exemplare, die dem echten Pecten filosus HAUER zufallen würden, habe ich unter dem Veszpremer Materiale bisher nicht gesehen. Fundorte: Profil VII und zwar zunächst VII, Sch. f (ein Exemplar mit wohlerhaltenen Ohren); Prof. VII, Sch. h ein Stück von der Innenseite mit den verlängerten Körnchen, die diese Gruppe besitzt und ein Mergelstück mit minutiösen Exemplaren von nur 5 mm. Höhe, die aber wohlerhaltene Ohren besitzen und deren Schlosslinie einen deutlichen, stumpfen, nach oben offenen Winkel bildet. Aus Profil VII, Sch. f auch die Formen, von denen oben erwähnt wurde, dass sie vielleicht zu Pecten Schlosseri WÖHRM. gehören. — Vämos; von hier zu Th. in einem gelben Kalke, der auch im Gesteinsaussehen manchen von P. incognitus (filosus aut.) erfüllten Opponitzer Kalkbänken völlig gleichsieht.» ¹ Man vergl. auch die der vorliegenden Arbeit beigegebene Tafel IX, Fig. 43—45.
² Es mag am Platze sein, hier darauf hinzuweisen, dass sich echte Entolien, d. h. Formen mit spitzgehörnten Ohren, auch in der alpinen Trias finden, beispielweise im Prezzokalke Iudi- cariens auftreten. Auch aus der Trias des Bakony wird weiter unten eine derartige Entolium-Form (Tafel VIII, Fig. 18) beschrieben werden. ³ Die chäracteristische Syncyclonema-Sculptur besitzt unter den Arten der alpinen Trias der von mir Abhandl. XVIII, S. 164 erwähnte Pecten subdemissus MÜNST. von Sct.-Cassian. ALEXANDER BITTNER, 1901
|
«Beschreibung: Kleine, gleichseitige, leicht quer- bis leicht hochovale Klappen. Zwei Innenrippen, die mit 70° bis 75° divergieren. Apikalwinkel ca. 105°. Ohren der rechten Klappe randlich hochgebogen, Dorsalrand dadurch gewinkelt. Schale zweischichtig: äußere Schicht bis auf schwache Anwachsstreifung glatt, mit der inneren Schicht durch radiale, in der Schalenmitte zickzackförmig verlaufende Grate verzahnt. Bei Abwitterung der äußeren Schicht entsprechende Pseudoskulptur (filosus-Struktur sensu ALLASINAZ 1972) sichtbar (Taf. 11, Fig. 1).
Anmerkungen: Die Nomenklatur triadischer Entoliidae ist durch eine große Zahl schlecht dokumentierter Arten belastet. EMMRICH (1853) beschrieb „Pecten Hellii sp. nov.“ aus den Kössener Schichten, ohne eine Abbildung zu geben. BITTNER (1901) bildete später zwei Individuen aus dem Rhät von Károlyháza am Balatonsee (Ungarn) ab, die er auf Grund der Beschreibung von EMMRICH (1853) mit dieser Art identifizierte. In der gleichen Arbeit benannte BITTNER (1901) die bei WÖHRMANN (1889) fälschlich als „Pecten filosus HAUER“ beschriebenen Stücke aus den karnischen Cardita-Schichten als Pecten incognitus sp. nov., stellte aber gleichzeitig fest, dass die Art möglicherweise nicht von Pecten hellii EMMRICH zu trennen sei (BITTNER 1901: 106). Der Unterschied von Pecten incognitus zu den von WÖHRMANN (1889) als „Pecten schlosseri sp. nov.“ beschriebenen Stücken liegt möglicherweise nur in der Erhaltung der äußeren Schalenschicht bei letzteren, sodass schlosseri ebenfalls Priorität vor incognitus haben könnte. Da sich diese nomenklatorischen Probleme auf Grundlage der Literatur nicht lösen lassen, wird in dieser Arbeit der Artname incognitus vorläufig aufrecht erhalten.
Die auffallende Schalenstruktur (s. o.) ist von ALLASINAZ (1972) als gattungsspezifisches Merkmal seiner neuen Gattung Filopecten (Typusart: Pecten filosus HAUER, 1857) gewertet worden. Morphologisch ist Filopecten von Entolium durch von unten nach oben breiter werdende Ohren, den in beiden Klappen geraden Schlossrand und einen leichten Byssuseinschnitt im vorderen Ohr unterschieden. Beide Merkmale (Schalenstruktur und Morphologie der Ohren) sind jedoch nicht gekoppelt, da morphologisch eindeutig zu Entolium zu stellende Arten wie E. discites (von SCHLOTHEIM, 1820), E. quotidianum (HEALEY, 1908) und die oben beschriebene Art E. incognitum (BITTNER, 1901) ebenfalls die filosus-Struktur aufweisen. Die Schalenstruktur sollte deshalb innerhalb der Familie nicht zur Gattungsabgrenzung herangezogen werden. Eine vergleichbare Struktur kommt auch bei der Pectinidengattungen Indopecten DOUGLAS, 1929 vor, ist dort allerdings auf die linke Klappe beschränkt (s. u.). Lebensweise: Entolium incognitum besaß im Adultstadium keinen Byssusaustritt und lag folglich frei auf der Sedimentoberfläche. Die gerundeten, äquilateralen und dünnschaligen Klappen mit dem relativ großen Apikalwinkel sind paradigmatisch für schwimmfähige Pectiniden (STANLEY 1972).
Vorkommen: Zentraliran, Nor bis Rhät; Alpen, Karn und fraglich Rhät; fraglich Ungarn, Rhät.»
HAUTMANN, M. 2001. Die Muschelfauna der Nayband-Formation (Obertrias, Nor - Rhät) des östlichen Zentraliran. Beringeria, 29: 1-181, pls. 1-37. [p. 61, 62]
|
Entolium (Entolium) incognitum (BIittner, 1901); M. Hautmann, 2001, Die Muschelfauna der Nayband-Formation (Obertrias, Nor - Rhät) des östlichen Zentraliran, plate 11, figures 1, 2.
|